Entwicklungen, die zu Denken geben
Der nachfolgende Beitrag wurde am 7.12.2010 in ZEIT ONLINE auf zeit.de veröffentlicht.
„Auswandern ist die letzte Option“
Stürme, Fluten, Versalzung: Die Erderwärmung trifft die Südsee hart. Netatua Pelesikoti über den Versuch der Inselstaaten, sich mit dem Klimawandel zu arrangieren.
Inselparadiese
© Torsten Blackwood/AFP/Getty Images
Die Küste von Tepuka Island. Die Insel gehört zu Tuvalu im Südpazifik und ist wie zahlreiche andere durch den Klimawandel gefährdet
ZEIT ONLINE: Frau Pelesikoti, wie spürt der Südpazifik den Klimawandel?
Netatua Pelesikoti: Unsere Inseln sind sehr klein. Sie liegen in einem riesigen Ozean, dessen Wasserspiegel höher wird. Die Länder des Pazifik sind so gut wie gar nicht für den Klimawandel verantwortlich, aber durch unsere geographische Lage gehören wir zu den besonders stark betroffenen Gebieten. Tropische Wirbelstürme häufen sich und es wird wärmer. Der Meeresspiegel steigt, das Wasser nimmt vermehrt das Treibhausgas CO2 auf und versauert. Die Interkontinentale Konvergenzzone, in der die Passatwinde aufeinander treffen, verschiebt sich und mit ihr der Monsungürtel. Dadurch werden Regionen, in denen heute sehr viel Regen fällt, trockener. Warme Meeresströmungen verändern ihre Richtung ….
ZEIT ONLINE: Was heißt das konkret?
Pelesikoti: Die Menschen verlieren ihre Lebensgrundlage. Im Pazifik ist die Landwirtschaft der ökonomisch wichtigste Sektor. Jetzt aber sinkt der Bestand an zentralen kommerziellen Fischarten. Beispielsweise gibt es weniger Thunfisch. Das Meer nimmt das Land, die Felder versalzen. Die Bauern versuchen bereits, ihre Äcker höher zu legen. Sie sind sehr einfallsreich. Aber irgendwann bringt das nichts mehr. Es fehlt an Süßwasser. Häufig pflanzen die kleinen Landwirte nur eine einzige Pflanze. Wenn die aber unter den neuen klimatischen Bedingungen nicht mehr wächst, haben sie ein Problem. All das beeinträchtigt das Leben bis hin zur letzten Person im kleinsten Dorf.
ZEIT ONLINE: Wie viele Menschen leben in der Region?
Pelesikoti: Einige Millionen, wenn man große Länder wie Australien oder Neuseeland nicht mitzählt. Allein Papua-Neuguinea hat mehr als sechs Millionen Einwohner. Auf Samoa leben etwa 200.000 Menschen, auf Tonga 120.000.
ZEIT ONLINE: Sie koordinieren Anpassungsprojekte im Südpazifik. Was wird getan?
Pelesikoti: Ein paar Beispiele: In Papua-Neuguinea erprobt man neue landwirtschaftliche Anbautechniken, um mit den höheren Temperaturen zurechtzukommen. Man forscht an Pflanzen, die Salz gut vertragen und versucht, unterschiedliche Nahrungspflanzen anzubauen, um das Risiko von Missernten zu senken. Auf den Fidschi-Inseln baut man ein Drainagesystem, um Fluten besser zurück ins Meer leiten zu können und befestigt das Land, etwa durch Deiche. Das Ziel ist es, für Stürme einer Stärke gerüstet zu sein, wie sie nur alle 50 Jahre vorkommen. Auf den Solomon-Inseln baut man Lager- und Schutzräume gegen Stürme. Überall richten wir Datenbanken ein, um den Leuten die nötigen Informationen zu geben und sie zu stärken. Wir bauen Frühwarnsysteme auf. Aber bislang betreuen wir nur Pilotprojekte. Wir haben zu wenige Ressourcen, um flächendeckend zu arbeiten.
ZEIT ONLINE: Ihre Arbeit hängt von internationalen Geldern ab.
Pelesikoti: Unsere eigenen ökonomischen Möglichkeiten sind begrenzt und Anpassungstechnologie ist teuer. Wir können uns kaum selbst helfen, das macht die Inseln des Südpazifik noch anfälliger für den Klimawandel. Unser Sekretariat finanziert sich hauptsächlich durch Geld der EU und der Vereinten Nationen. Aber unsere Mitglieder, die Staaten des Südpazifiks, tragen auch ihren Teil bei.
ZEIT ONLINE: Vor der Kopenhagener Klimakonferenz hieß es, man müsse die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzen, um die Inseln zu retten. Im Moment sieht es so aus, als würde nicht einmal das Zwei-Grad-Ziel erreicht. Langfristig werden viele Menschen ihre Insel verlassen müssen. Was helfen da Küstenschutz, Frühwarnsysteme und neue Landwirtschaftstechniken?
Pelesikoti: Über Umsiedlung wird nachgedacht, das stimmt. Aber manche Staaten bestehen aus einem einzigen Atoll. Es gibt eine Hauptstraße in der Mitte, rechts davon ist der Ozean, links die Lagune. Wohin sollen die Leute gehen? Auswanderung wäre die letzte Option, die die nationalen Regierungen des Südpazifiks in Betracht ziehen würden. Das würde bedeuten, einen Teil unseres Lebens zu verlieren. Wir nehmen am politischen Prozess teil in der Hoffnung, dass die entwickelten Länder sich bewegen. Ich kann die pazifischen Inseln nicht untergehen sehen. Wir geben nicht auf.
ZEIT ONLINE: Sehen Sie Fortschritte in Verhandlungen in Cancún?
Pelesikoti: Die Tendenz der Verhandlungen ändert sich hier fast täglich. Derzeit laufen die Dinge ein wenig enttäuschend. Wir können nicht auf die internationalen Verhandlungen warten, wir brauchen jetzt Hilfe, um uns anzupassen. Aber die Industrieländer müssten nicht auf einen Beschluss im Rahmen der Vereinten Nationen warten, um mit uns zusammen zu arbeiten. Deutschland und die USA unterstützen uns schon auf bilateraler Basis. Wenn andere Industrieländer das auch täten, wäre das gut.
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