Ein Beitrag von Frank Eckhardt
Wenn Sie einen Bewohner der deutschsprachigen Länder und Regionen in Mitteleuropa fragen, was „Homesteading“ sei, werden Sie fast immer nur hilflose Blicke ernten. Frei übersetzt bedeutet das so viel wie „Siedeln” oder „Aussiedeln”, Homesteader sind also Siedler – und so bezeichnet man im angelsächsischen Sprachraum Familien, die außerhalb der großen Städte ein weitgehend unabhängiges und eigenständiges Leben führen.
Der Beginn des Homesteadings in Nordamerika liegt bereits weit zurück und ist beispielsweise dokumentiert im US-amerikanischen „Homestead Act” von 1862, der regelte, dass jeder Mensch ab 21 Jahren das Recht hat, sich auf einem bis dahin unbesiedelten Stück Land niederzulassen, jedenfalls unter bestimmten Bedingungen. Nach fünf Jahren wurden die Siedler nach diesem Gesetz automatisch Eigentümer ihres Stücks Land.
“The greatest fine art of the future will be the making of a comfortable living from a small piece of land”, sagte Abraham Lincoln, der damalige US-Präsident.
Das war damals noch eine Zeit, als die Regierungen darauf angewiesen waren kostenfrei Land an Siedler zu vergeben, die daraufhin freiwillig hinaus in die Weite des Kontinents gezogen sind und sich im Gegenzug für das erhaltene Land dazu verpflichteten, es in irgend einer Form aus eigener Kraft nutzbar zu machen. Diese Zeiten sind auch hier auf der kanadischen Halbinsel Nova Scotia, wo ich heute mit meiner Familie lebe, längst vorbei.
Die Homesteader-Bewegung hat dennoch bis heute überdauert und erlebt seit Jahren eine wahre Neubelebung, die einige der Homesteader-Urgesteine selbst als „Homesteader Tsunami“ bezeichnen. Der Drang raus aus den Ballungszentren, zurück in die Natur ist groß: Niemandes Herren und niemandes Knecht zu sein, ist die Verheißung eines Lebens auf dem eigenen Stück Land. Aber wie kommt man zu einem solchen Lebensweg?
Was die Siedler wollen
Einige Homesteader sind von ihren Eltern vorgeprägt, weil diese aus ländlichen Gebieten stammten oder gar als Bauern ihren Lebensunterhalt verdient haben. Die meisten Menschen allerdings entwickeln sich nach und nach dazu. So wie meine Familie und ich.
Oft fängt es mit dem eigenen Gartenprojekt an, das sich kontinuierlich ausweitet, dann kommt ein Gewächshaus hinzu, Obstbäume, die ersten eigenen Hühner, Schafe oder Milchkühe, Hund und Katze. Irgendwie eine Mischung aus Hobby-Landwirt, Gärtner, Natur- und Tierfreund sowie Handwerker – alles gepaart mit der eigenen Lernkurve.
Wir sind bereits vor vielen Jahren von Deutschland aufs Land nach Atlantik-Kanada ausgewandert, und unser Lebensweg hat sich ebenfalls immer mehr zu dem der Homesteader entwickelt. Da wir hier in Nordamerika auch mit anderen Familien vernetzt sind, die ähnliche Lebensweisen pflegen, möchte ich Ihnen hier einen kleinen Einblick in diese (nicht wirklich) ganz andere Art zu leben geben.
Von der grundsätzlichen politischen Lebenseinstellung sind die Homesteader in Kanada und in den USA nahezu alle als „Libercons“ (libertär-konservativ) zu bezeichnen: Der Hang zur kompromisslosen persönlichen Freiheit und Selbstbestimmung gepaart mit der Wertschätzung von Traditionen, Kultur der Vorfahren und deren überlieferten Werten ist sehr deutlich ausgeprägt.
Ebenso die tiefe Verbindung mit der eigenen Scholle und dem eigenen Haus und Hof, kombiniert mit der Liebe zur Natur, zu Tieren und Pflanzen sowie die Freude an der Erzeugung und Verarbeitung von gesunden Lebensmitteln zur Selbstversorgung der Familie.
Die Erkenntnis vieler Menschen, dass der allgemein bekannte Weg des „American Way of Life“ sich für immer mehr Menschen als Sackgasse entpuppt, ist unübersehbar. Da braucht man sich beispielsweise nur die überall zunehmenden Zahlen der Obdachlosen in den Städten innerhalb der westlichen „Wertegemeinschaft“ ansehen. Noch mehr von allem aus der bunten Palette der Konsumtempel, mehr Plastik, mehr Müll, mehr neue Medienberauschung, schneller, höher, schöner, weiter, reicher? Oder die tiefe innere Sehnsucht nach einem einfachen, oftmals arbeitsreichen und harten Leben zurück an der Basis?
Freiheit und Unabhängigkeit haben die größte Anziehungskraft, die Homesteader sehnen sich nach einem eigenverantwortlichen und selbst bestimmten Leben und sind bereit, dafür einen Preis zu bezahlen. Zu sehen, was man mit eigener Kraft zum Wohle der Familie auf dem eigenen Land erwirtschaftet und hervorgebracht hat, das entschleunigte Leben, bestimmt von der Tages- und Jahreszeit, nicht vom Terminkalender, der einfache Lebensweg zur wahren inneren Befriedigung – das ist das angestrebte Ideal. Wie fühlt sich das für Sie an?
Jeder nach seiner Fasson
Zu diesem Thema erscheinen reihenweise gute Bücher, und die Blogs und YouTube-Kanäle von verschiedensten Familienfarmen schießen nur so aus dem Boden. Spannend für mich zu beobachten ist, dass es hier sehr viele Menschen gibt, die genau wie wir ticken und so oder ähnlich leben wie wir oder das zumindest anstreben. Vergleichbar ist dieser Trend auch mit der Anastasia-Bewegung in Russland oder der Selbstversorger- und Autarkie-Bewegung im deutschen Kulturbereich.
Anzumerken sind hier allerdings die Ausgrenzung und öffentliche Diffamierung, die solche Bewegungen und die Menschen dahinter in Deutschland medial oft erleiden müssen. Die böse und gefährliche „Räääächts“- und Nazi-Keule wird schnell geschwungen, wenn es um das Unabhängigkeitsstreben von Aus- oder Umsiedlern geht. Ist es möglich, dass wirklich freie, unabhängige, gesunde und starke Familien und Bürger-Netzwerke des eigenen Kulturkreises dem System ein Dorn im Auge sind?
Friedrich der Große hat das, wonach die Homesteader streben und was dem politischen und medialen Hauptstrom heute so ganz und gar nicht zu passen scheint, so ausgedrückt: „Hier muss ein Jeder nach seiner Fasson selig werden.“ Und zwar so, dass keiner „dem Anderen Abbruch tue”, also solange er keinen anderen gefährdet oder schädigt.
Ein Leben für die Kinder
Welche Gemeinsamkeiten verbinden Menschen und Familien hier in Nordamerika, die als Homesteader leben? – Sie besiedeln meist größere Land-Areale zwischen fünf und einhundert Acres (1 Acre entspricht 4046 qm), teilweise auch darüber. Viele praktizieren ihre Selbstversorgung mit Lebensmitteln vom eigenen Land und kombinieren dabei moderne mit traditionellen Anbau- und Verarbeitungsmethoden. Produzierte Überschüsse werden selber verarbeitet oder veredelt und dann oft lokal vermarktet, um zusätzliches Einkommen zu generieren.
Nicht wenige nutzen, wenn möglich, ihre eigene Energieversorgung. Die eigene Frischwasser- Versorgung ist nahezu unerlässlich. Zahlreiche Homesteader-Familien praktizieren Heimunterricht oder gar Freilernen. Die Zahl der Hausgeburten ist recht hoch, ebenso die Anzahl der Kinder in den Familien.
Es ist bekannt, dass die Amish in den USA die einzige „weiße“ Volksgruppe weltweit ist, deren Population mit durchschnittlich sechs bis acht Kindern pro Familie stetig steigt. Danach kommen bereits die anderen Homesteader-Familien, die ein wenig unter der Geburtenrate der Amish, aber meist deutlich über denen der städtisch geprägten Familien liegen. Wir selbst bewegen uns da mit drei Kindern eher im unteren Randbereich.
Eine befreundete Homesteader-Familie, die kürzlich aus Britisch Columbia zu uns nach Nova Scotia übergesiedelt ist, hat sechs Kinder zwischen einem halben Jahr und 13 Jahren. Auch sie praktizieren das Familienbett (die Kinder und Erwachsenen schlafen zusammen in einem großen Schlafzimmer in einem oder mehreren geräumigen und zusammen liegenden Betten).
Auch sie haben keine Fernseher zu Hause und die Kinder keine Mobiltelefone. Sie nutzen hauptsächlich Bücher zum Selbststudium innerhalb der Familie. Die Kinder haben von Hund und Katze über Hühner bis Schafe alle ihre eigenen Haus- und Hoftiere und lernen früh, für diese Verantwortung zu übernehmen. Die Kinder sind bei allen täglichen Arbeiten altersgerecht mit eingebunden und lernen viel durch die praktische Anwendung in Haushalt, Garten, Werkstatt und bei der Versorgung von Tieren.
Wild und fleißig
Die Vernetzung unter den Homesteadern hier in Kanada und den USA ist recht gut und es finden regelmäßige Treffen und Veranstaltungen statt. Hier ist es absolut üblich, dass sich die
Homesteader als amerikanische oder kanadische Patrioten fühlen und das auch nach außen ganz klar zeigen. Ein Blick auf die Website der „Homesteaders of America“ zeigt das sehr eindrucksvoll. In dieser Form wäre das in der Bundesrepublik Deutschland von heute sicher undenkbar.
Die Akzeptanz innerhalb der Gesamtbevölkerung ist allerdings hoch angesiedelt. Auch das macht es für das politisch-mediale System nicht so einfach, diese seit Generationen etablierte und allgemein akzeptierte Bewegung zu verunglimpfen.
Selbst unter einigen „Promis“ in Nordamerika ist der Hang zum Homesteading erkennbar. Hannah beispielsweise, eine ehemalige Miss New York City, verbringt mittlerweile ihr Leben mit ihrer Familie (sie hat acht Kinder) ebenfalls als Homesteader und betreibt ihre eigene Website und einen YouTube-Kanal. Dort beschreibt sie das Leben ihrer Familie mit folgenden Worten:
„In diesem Kanal dreht sich alles um die Abenteuer, die harte Arbeit und den Lebensstil auf dem Bauernhof, den zwei Stadtkinder gewählt haben, um den Traum von der Landwirtschaft zu leben und gleichzeitig die Lebensqualität zu bewahren, die in der traditionellen Hausmannskost und dem Leben auf dem Land liegt.”
Ihre Ballerina-Farm liegt in den fruchtbaren Bergtälern von Utah und heißt so, weil Hannah Absolventin der Juilliard School of Dance und dort ausgebildete Balletttänzerin ist. Ihr Mann Daniel hat Geschichte studiert und macht jetzt seinen MBA, um das ständig wachsende Unternehmen im Griff zu behalten. Ihre Kinder sind wild, fleißig und werden von ihrer Mutter zu Hause unterrichtet, während sie lernen, Landwirtschaft zu betreiben, Rodeo zu spielen, zu tanzen, barfuß und frei zu wachsen.
Nicht für jeden
Das, was vielen freiheitlich eingestellten Menschen, die ich kenne, fehlt, ist die eigene gelebte Praxis. In der Theorie halten sie sehr schöne Vorträge oder schreiben hervorragende Artikel zum Thema Freiheit. In der Praxis schaut ihr Leben allerdings oft anders aus. Gefangen in der Wolke der Bequemlichkeit und der Zwänge im System.
Wie viele zusätzliche BWL-Studenten, Pädagogen und Juristen braucht diese Welt? Ich habe hier Besucher aus Europa kennengelernt, die einen Übersee-Container nicht öffnen oder schließen konnten und selbst mit dem Starten einer Kettensäge überfordert waren.
Was wir unter allen Homesteadern beobachten konnten, war der unbedingte Wille und die Fähigkeit jeden Tag neue, meist praktische Dinge dazu zu lernen. Ohne diese Bereitschaft funktioniert kein Homesteading und keine Unabhängigkeit. Wer sagt, er kann nicht, der will nicht.
Frank Eckhardt
https://de.capebretonecovillage.ca/
https://www.fe-propertysales.de/
Hier finden Sie eine kleine Auswahl von Links für Sie zum Stöbern, lernen und staunen, viel Interessantes zu lesen und sehr schöne Videos zu allen Homesteader-Themen: