Carteret ist eines von vielen Südseeatollen, das der Klimawandel vernichten wird. Wie die Insulaner ums Überleben und für eine neue Heimat kämpfen.
Cook Insel
© dpa
Schwindendes Paradies: Der steigende Meeresspiegel versalzt und verschluckt schließlich die Inseln im Südpazifik
Langsam verschlingt das Meer Ursula Rakovas Heimat. Auch die Klimakonferenz in Cancún wird daran nichts ändern. Die kleine, entschlossene Frau von 46 Jahren stammt von den Carteret-Inseln, einem der untergehenden Atolle in der Südsee. Viel ist über Carteret schon berichtet worden, doch unternommen hat niemand etwas, um das kleine Paradies noch zu retten. Jetzt nehmen die rund 3000 Bewohner ihr Schicksal selbst in die Hand. An ihrer Spitze steht Rakova: Menschenrechtsaktivistin, Sozialarbeiterin, Geografin – und, vor allem, engagierte Kämpferin für die Opfer des Klimawandels.
Fünf Jahre ist es her, da riefen die Ältesten von Carteret ihre Ursula nach Hause. Rakova hatte die Insel als Schulmädchen verlassen. Der Gemeinschaft ging es schlecht. Das Meer um ihr Atoll stieg langsam, aber stetig an, Springfluten zerstörten die Felder, der Boden begann zu versalzen. In manchen Jahren steigt das Wasser im Südpazifik um 15 Millimeter. Das klingt wenig, doch in den vergangen Jahren ist die Hälfte Carterets schon in den Fluten verschwunden. In zehn Jahren kann das Atoll schon unbewohnbar sein. „Die Lage wurde immer schlimmer. Die Leute hatten nichts mehr zu essen, sie waren abhängig von Hilfen der Regierung“, erinnert sich Rakova. „Ich fühlte mich schuldig. Ich hatte so lange auswärts gearbeitet.“ Sie gab ihren Job auf und kam zurück.
Seither arbeitet ihre Organisation Tulele Peisa daran, den Insulanern eine Perspektive zu geben. Nicht auf Carteret: Die Inseln sind kaum mehr zu retten. Schon jetzt stehen entlang der Küste Bäume, Häuser und Hafenanlagen im Wasser. Gleise führen direkt ins Meer. Tulele Peisa – zu Deutsch: Wir kommen alleine übers Meer – will die Leute von Carteret fortbringen. So lautete der Auftrag der Ältesten an Rakova. „Sie sagten zu mir: Hilf uns, die Umsiedlung zu beschleunigen. Wir können nicht weiter von Nahrungshilfe abhängig sein. Wir wollen uns selbst ernähren“, erzählt sie in Cancún, wohin sie auf Einladung von Mary Robinson gereist ist, der ehemaligen Hochkommissarin für Menschenrechte.
Auf der Klimakonferenz wird auch über das Schicksal von Klimaflüchtlingen wie den Leuten aus Carteret gestritten. Weltweit werden Dürren, Wetterkatastrophen, ausbleibende oder übermäßige Regenfälle die Konflikte um knappe Ressourcen verstärken und Millionen Menschen dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen. Essen und Wasser werden vielerorts noch knapper, als sie es ohnehin schon sind. Hunderttausende könnten durch die Erderwärmung gar sterben, warnten Nichtregierungsorganisationen in Cancún. Bislang genießen Klimaflüchtlinge völkerrechtlich jedoch kaum einen Schutz: Geht es nach der Genfer Konvention, kann der Klimawandel keinen Flüchtlingsstatus begründen. Ein strittiger Passus in den Dokumenten, über die auf dem Gipfel verhandelt wird, könnte die Rechtlosigkeit mildern.
Die Carteret-Insulaner haben keine Zeit, auf die internationale Politik zu warten. Nach ihrer Rückkehr begann Rakova, planvoll und pragmatisch, mit der Suche nach Land und Geld. Sie hat genaue Vorstellungen davon, was sie erreichen will: Bis 2015 sollen mehr als 83 Menschen nach Bougainville umgezogen sein, eine benachbarte Insel, die den Unbilden des Klimawandels nicht ganz so heftig ausgesetzt ist. Im Jahr 2020 sollen schon 1700 Menschen dort wohnen. „Wir wollen so wenige wie möglich auf Carteret zurücklassen“, sagt Rakova. Alle sollen nach Bougainville.
In der neuen Siedlung stehen bislang zweieinhalb Häuser auf einem etwa 70 Hektar großen Grundstück, ein Geschenk der katholischen Kirche. Ihre Bambuswände tragen metallene Dächer, die Regenwasser auffangen und in Tanks leiten. Zwei Familien, rund zwanzig Personen, sind bereits umgezogen. Weitere sollen bald folgen. Psychologen betreuen die Neuankömmlinge, und sie erhalten ausreichend Land, um sich zu versorgen. Überschüsse oder sogenannte Cash Crops wie Kokosnüsse oder Kakao sollen sie auf dem Markt verkaufen. Eines Tages soll der Erlös helfen, die Umsiedlung der anderen nach Bougainville zu finanzieren, hofft Rakova.
Dennoch: Der Neuanfang ist hart, trotz aller Anstrengungen von Tulele Peisa. Von den neun Familienvätern, die das Terrain bereiten sollten, ertrugen drei die harte Arbeit in fremder Umgebung nicht und gingen zurück. Auch fehlt es an Geld, um weiteres Land zu kaufen und um das geschenkte Land rechtsgültig abzusichern. Ursula Rakova will, dass das Grundstück vermessen und sein Wert geschätzt wird. Danach soll urkundlich festgehalten werden, dass das Land an ihre Organisation übergegangen ist. „Wir geben der katholischen Kirche ein kleines Geschenk, eine Anerkennung, im Gegenzug. Das besiegelt den Vertrag.“ Sie fürchtet, die Kirche könnte anderenfalls Ansprüche anmelden, sobald das Grundstück entwickelt ist. Und niemand soll den Leuten von Carteret ihr Land erneut wegnehmen können.
Für die 46-Jährige hat Klimawandel vor allem mit Menschenrechten zu tun. „Er ist real, und er betrifft mein Volk“, sagt sie. „Die verantwortlichen Länder müssen etwas unternehmen und ihre Emissionen einschränken. Alle müssen zusammenarbeiten, um ein verbindliches Abkommen zu erreichen.“ Davon ist in den offiziellen Verhandlungen von Cancún zwar keine Rede mehr. Ursula Rakova wird dennoch bis Donnerstag hier bleiben, um ihre Botschaft zu verkünden.
Quelle: zeit.de am 8.12.2010
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