Für jedes Land gibt es Beispiele für erfolgreiche und gescheiterte Auswanderungen. Das nachfolgende Interview gibt interessante Aspekte für all jene, die planen nach Italien auszuwandern:
Interview mit der Buchautorin Raffaela Caccialepre im Februar 2012
Sie sind Schweizerin, in der Schweiz geboren und aufgewachsen. Was hat Sie dazu bewogen die Schweiz zu verlassen?
Ich war jung und naiv. (lacht)
Was genau mich dazu bewogen hat, kann ich nicht sagen, doch ich wusste schon als Kind, dass ich irgendwann in Italien wohnen wollte. Vorallem während meiner Pubertät kam mir das Leben in der Schweiz zu engstirnig und kleinkariert vor. Das Leben in Bella Italia dagegen, stellte ich mir viel freier vor. In meiner Vorstellung strotzte es nämlich nur so vor Lockerheit, Dolce vita und Sonnenschein. Also machte ich mich mit 21 auf den Weg gen Süden, auf der Suche nach der Leichtigkeit des Lebens.
Wie wurden Sie von Ihren Nachbarn und Berufskollegen aufgenommen?
Ich war der Freak der Stadt!
Alle meine Nachbarn, Bekannten und Freunde konnten einfach nicht fassen, dass ich als junge Frau alleine wohnte. Ständig wurde ich darauf angesprochen. Da es in der Schweiz für einen jungen Menschen völlig normal ist, dass er alleine wohnt, verstand ich lange Zeit nicht, wieso das für alle um mich herum so absolut unverständlich war.
Warum die jungen Leute in Italien nicht alleine wohnen (können), ist mir erst mit der Zeit klar geworden – die Antwort darauf finden Sie auch in meinem Buch.
Worin liegen für Sie die größten Unterschiede zu Ihrem Heimatland?
Die Lebensfreude, die Offenheit und die Gastfreundschaft der Italiener hatten schon immer eine magische Anziehung auf mich ausgeübt. Während ich die Schweizer hingegen immer als etwas verschlossen und langweilig wahr nahm.
Mit der Zeit musste ich dann aber feststellen, dass wir Schweizer in manchen Bereichen sehr gut daran tun, genau, kleinlich und korrekt zu sein, dann mag es Dinge geben, bei denen wir uns nach Lockerheit und Lässigkeit sehnen, bei anderen Dingen hört der Spaß auf. Wenn zum Beispiel der Lohn nicht pünktlich kommt oder man Ihnen nach einem Autounfall in der Notaufnahme sagt, dass der Röntgenarzt heute nicht da sei und Sie deshalb morgen wieder kommen sollen. Und glauben Sie mir, dies sind nur 2 Beispiele von unzähligen solchen Situationen die ich während meiner 2 Jahre in Italien erlebt habe.
Gestaltet es sich schwierig, in Italien eine Arbeit zu finden?
Es geht alles nur über Beziehungen. Wenn Sie jemanden kennen, der jemanden kennt, dann haben Sie eine Chance im Berufsleben Fuss zu fassen. Andernfalls ist es extrem schwierig. Doch selbst wenn Sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden, kommt schon die nächste Hürde, denn nun besteht die Schwierigkeit auch noch darin, überhaupt ernst genommen zu werden. Ich war an einigen zum Teil sehr seltsamen Vorstellungsgesprächen; bei einem hat man sich gar nicht für meine Bewerbungsunterlagen interessiert und bei einem anderen hat man mir direkt ins Gesicht gesagt, dass man mir meine Ausbildung in der Schweiz nicht glaubt.
Gab es Dinge, die Sie in Ihrer neuen Heimat vermisst haben?
Als Kunde mit Respekt behandelt zu werden. Die Redewendung „Der Kunde ist König“ gibt es in Italien nicht.
Was war der Grund für Ihre Rückkehr in die Schweiz?
Einen ausschlaggebenden Grund gibt es nicht. Es war die Summe aller Schwierigkeiten. Nach 2 Jahren war ich müde, ich hatte kein Geld und keine Kraft mehr zu kämpfen.
Wie kamen Sie auf die Idee einen Auswanderer-Ratgeber zu schreiben?
Wenige Monate nach meiner Ankunft in Italien, hatte ich schon so viele seltsame, lustige aber auch erschütternde Erlebnisse gehabt, dass ich immer mehr den Drang verspürte mich mitteilen zu müssen. Zum einen hatte ich das Gefühl, dass die Schweizer sich keineswegs bewusst sind wie gut es Ihnen in der Schweiz ergeht und zum anderen wollte ich zukünftigen Italien-Auswanderern auf amüsante Weise aufzeigen, was alles auf sie zukommen könnte.
Worauf sollten Auswanderer Ihrer Erfahrung nach achten, wenn Sie in Italien leben wollen?
Abgesehen davon, dass sie die Landessprache beherrschen sollten (was meiner Meinung nach bei allen Auswander-Abenteuern das oberste Gebot ist), sollten sie sich 3 Fragen stellen:
- Bin ich dazu bereit mich an ein korruptes System anzupassen?
- Habe ich ein grosses Startkapital auf der hohen Kante?
- Habe ich genügend Geduld um die Lockerheit der Italiener in allen Situationen in Kauf zu nehmen?
Wenn sie diese 3 Fragen mit Nein beantworten, dann tun sie sich mit Italien keinen Gefallen.
Außerdem empfehle ich allen vorher mein Buch „BELLA ITALIA – Erlebnisse eines Auswanderers“ zu lesen. Für mögliche Auswanderer hält es neben meinen eigenen haarsträubenden Erlebnissen zudem auch viele Tipps bereit und für alle die nicht im Sinn haben auszuwandern ist es einfach sehr amüsant zu lesen.
Welche 3 Gründe sprechen für Sie dafür, Italien als Auswanderer-Land zu empfehlen?
Italien ist landschaftlich wunderschön, das Wetter und das Essen sind fantastisch und es macht sehr viel Spaß das Meer gleich vor der Haustür zu haben.
Empfehlen, kann ich Italien als Auswanderer-Land trotzdem keinem. Es braucht unheimlich viel Kraft und Geld, um sich mit einem System abzufinden, das einem in allen Belangen widersteht.
Italien Ratgeber Autorin
Vielen Dank für Ihre offenen Worte und viel Glück in Ihrem weiteren Leben!!
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Auswanderung - Wegzug von Deutschland
2023 war wieder ein besonderes Jahr für die Auswanderung. 265.035 Deutsche verließen offiziell ihre Heimat. Sie siedelten in etwa 200 unterschiedliche Länder und Inseln aus. Von der Wahl der Auswanderungsziele kann man Anregungen für die eigenen Überlegungen erhalten. Würde es Dich daher interessieren, wohin die Deutschen in 2023 und die 10 Jahre davor abwanderten?