2. Januar 2025 von Jan Harmening (ausgewandert seit 2005) aktualisiert
Wer sich mit dem Thema auswandern beschäftigt, kommt an der Frage nach den Finanzen nicht vorbei. Wie viel Geld sollte als Startkapital zur Verfügung stehen? Und woher kann das Startkapital kommen?
Gemeinhin wird gesagt, dass eine vierköpfige Familie beim Auswandern eine Rücklage von ungefähr 90.000 Euro haben soll. Aber wie setzt sich diese Zahl zusammen? Und ist eine pauschale Angabe überhaupt realistisch? Schließlich wird das notwendige Startkapital von verschiedenen Faktoren beeinflusst:
- familiäre Situation
- Anspruch an das Leben
- Lebenskosten im Zielland
- Jobsituation im Zielland
In jeder Situation gilt jedoch: Mit einem finanziellen Polster lässt sich der Start ruhiger angehen. Wie hoch das sein muss, sollte jeder Auswanderer anhand dieser Punkte individuell festlegen.
Wie ist die familiäre Situation?
Wer als Familie auswandert, sollte über mehr Rücklagen als ein Alleinstehender verfügen. Es braucht Zeit, bis der Alltag als Familie in einem neuen Land funktioniert. Die Kinder brauchen Begleitung und Zeit. Das geht nur, wenn es finanziell möglich ist. Auch sollten sich kleine Durststrecken mit Kindern über ein finanzielles Polster überbrücken lassen. Kinder brauchen in dieser Situation Sicherheit – wenn die Eltern permanent Sorge haben, ob sie es finanziell schaffen, können sie ihnen diese Sicherheit deutlich schwerer geben.
Lebenshaltungskosten im Zielland
Es gibt Länder, die im internationalen Vergleich teuer sind. Vor dem Auswandern sollten die Lebenshaltungskosten der alten und neuen Heimat verglichen werden.
• Was ist teurer?
• Was ist günstiger?
Wer innerhalb von Europa auswandert, erhält viele Informationen in den Erhebungen der EU. Dort finden sich Informationen rund um die normalen Alltagskosten wie Kaffee, Butter, Milch oder auch der notwendige Kraftstoff zum Tanken. Die internationale Länderübersicht der Weltbank vergleicht die Lebenshaltungskosten weltweit.
Um aus diesen Angaben eine eigene Hausnummer zu erhalten, braucht es eine Übersicht, wie sich die eigenen Ausgaben verteilen. Hierfür ist ein Haushaltstagebuch sinnvoll. Dieses lässt sich sowohl per Hand als auch digital führen. Für eine Zeitraum von mindestens zwei Monaten werden dort alle Ausgaben eingetragen. Auch der Kaffee unterwegs oder das Brötchen beim Bäcker werden hier festgehalten.
Am Ende jeder Woche oder am Monatsende werden die Ausgaben in Gruppen zusammengefasst. Hierbei zeigen sich oft genug auch Sparpotentiale, aber vor allem ein Wert für die eigenen monatlichen Ausgaben. Viele Menschen haben lediglich eine ungefähre Ahnung, was sie im Monat für Lebensmittel, Freizeit, Drogerieartikel oder Anziehsachen ausgeben.
Um das notwendige Startkapital beim Auswandern zu berechnen, ist da jedoch wichtig. Dieser Wert wird im Anschluss auf das Zielland und seine Kosten ungefähr und eher großzügig übertragen. Die Kosten für den Unterhalt können regional variieren. Die Metropolregionen sind in allen Ländern teurer als ländlichere Gegenden. Faktoren wie Miete, Nebenkosten, Steuer und auch Transportkosten müssen zusammen mit den Lebenshaltungskosten berechnet werden.
Kredite als Unterstützung nutzen
Manchmal reicht der Zeitpunkt bis zum Auswandern nicht, um das notwendige Polster anzusparen. Mit einer zusätzlichen Sicherheit wie einem festen Job in der Heimat oder einer Immobilie lassen sich Kredite zu guten Konditionen für den Start in ein neues Leben nutzen. Wichtig ist hierbei: den eigenen Kreditrahmen realistisch einzuschätzen und die Belastung nicht zu hoch einzustufen.
Auch die Option des Aussetzens der Rückzahlung bei Schwierigkeiten ist für einen Kredit beim Auswandern sinnvoll. Denn manchmal gibt es unvorhergesehene Schwierigkeiten, die das geplante Budget verändern. Wer in einem solchen Fall kurzzeitig aussetzen oder die Kreditrate anpassen kann, reduziert hiermit den eigenen Stress entscheidend.
Auch der Vergleich von Krediten ist wichtig, um den passenden Kredit zu den besten Konditionen zu finden. Die Grundlage für den Kredit ist jedoch, die eigenen Lebenshaltungskosten und mögliches Sparpotenzial sehr gut zu kennen.
Jobsituation
Eine weitere wichtige Frage ist die nach der Jobsituation im neuen Land. Wer hier bereits einen Arbeitsvertrag unterschrieben hat, kennt sein Gehalt und weiß, was er zur Verfügung hat. Trotzdem sollte auch hier eine Reserve vorhanden sein. Schließlich gibt es auch Probezeiten oder es kann durch andere Umstände zu Kündigungen kommen. Wer noch keinen festen Job hat, dessen Rücklage sollten mindestens für sechs Monate reichen. Ideal ist eine Rücklage für ein Jahr. Doch auch Menschen mit einer Zusage für einen Job sollten ein halbes Jahr überbrücken können.
Wie ist das Gehalt im Zielland?
Wer ganz ohne festen Arbeitsvertrag auswandert, sollte sich über das mögliche Gehalt in seinem Job informieren. Hier gilt es regionale Unterschiede im Einwanderungsland zu beachten und sich realistisch den Wert der bisherigen Erfahrungen zu überlegen. Es ist wichtig, bei dem zukünftigen Gehalt lieber etwas tiefer zu stapeln, als die Zukunft zu schön zu rechnen.
Welche zusätzlichen Kenntnisse oder Qualifikationen helfen beim Einstieg in den Job?
Auch die Sprachkenntnisse spielen je nach Branche eine große Rolle und können den Marktwert mindern. Wer beispielsweise bereits vorher sehr international ausgerichtet gearbeitet hat und in dessen Branche Englisch als allgemeine Geschäftssprache gilt, wird in diesem Bereich geringere Probleme haben.
Ein deutscher Erzieher in Schweden muss jedoch entsprechende Sprachkenntnisse nachweisen. Zudem können die Anforderungen unterschiedlich und der Erwerb von Zertifikaten notwendig sein. In einigen Ländern ist beispielsweise Physiotherapie ein Beruf mit einem Studium. In Deutschland gibt es neben dem Studium auch eine Ausbildung zum Physiotherapeuten. Diese Feinheiten in der eigenen Branche müssen unbedingt angeschaut und realistisch eingeschätzt werden.
Neben der eigenen Attraktivität für den neuen Arbeitsmarkt muss auch die allgemeine Situation auf dem Arbeitsmarkt angeschaut werden.
- Gibt es hier eher einen Mangel an Fachkräften oder gibt es weniger Bedarf?
- Was ist auf dem lokalen Markt gesucht?
- Gibt es Regionen, die beruflich im neuen Land besser passen als andere?
Aber auch allgemeine Informationen rund um die neue Heimat sind wichtig:
- Wie ist die Arbeitslosigkeit in dem Land?
- Wie sehr wird Integration unterstützt und wie sehr ist der Einreisende darauf angewiesen?
- Gibt es Voraussetzungen, um auf den „normalen“ Arbeitsmarkt zu dürfen?
Vor der Ausreise sparen
Ein Abschied in Saus und Braus? Das ist für die meisten Auswanderer keine gute Idee. Sinnvoller ist es, die letzten Monate im alten Leben sparsam zu leben und für das neue Leben Rücklagen zu bilden. Zudem wird auch das Leben in der ersten Zeit im neuen Land ebenfalls sparsam sein, um die Rücklagen nicht zu schnell aufzubrauchen. Wer mit diesem Lebensstil bereits vor dem Auswandern startet, dem gelingt der Start besser.
Ideal für das Ansparen ist hierfür die einfache 50-30-20 Regel, mit der sich das Nettoeinkommen teilen lässt. Die Hälfte des Einkommens wird hierbei für die festen Fixkosten im Monat eingesetzt. 30 Prozent des Gehalts werden für die Freizeit genutzt. Und die letzten 20 Prozent werden angespart. Tagesgeld- oder Sparkonto sind Möglichkeiten, die sich im Anschluss auch online nutzen lassen. Langfristige Anlagen des Geldes sind mit der Perspektive des Auswanderns nicht sinnvoll.
Wie die Grafik von Finanzcheck zeigt, ist die 50-30-20-Regel nicht nur sinnvoll, um eine Rücklage zu bilden. Durch diese simple Regel gewinnt der Anwender zugleich einen Überblick über die eigenen Finanzen. Wer mit einem Plan an seine Ausgaben geht, kontrolliert sich mehr und spart an einigen Stellen.
Wie soll das Leben sein?
Wer auswandert und nicht über einen riesengroßen finanziellen Puffer verfügt, sollte sich überlegen, was in seinem Leben für seine persönliche Zufriedenheit Priorität hat.
- In welchen Bereichen im Leben sind Abstriche möglich?
Für den einen ist das der Bereich Wohnen. Dort darf es klein sein und die Lage muss nicht besonders gut sein und trotzdem kann diese Person ankommen. Während es für die nächste Person gerade die Wohnsituation ist, die viel zum Wohlfühlen beiträgt. Hier ist es wichtig, sich vorher ehrlich anzuschauen, was im eigenen Leben zum Wohlfühlen beiträgt. Das kann sich im neuen Leben manches Mal verändern, aber darauf lässt sich dann auch reagieren.
- Welcher Anspruch besteht an das Essen?
- Auf welche Ausgaben lässt sich problemlos verzichten?
- Was ist für das eigene Lebensglück unbedingt notwendig?
- Wo lässt sich sparen?
Wer hier seine Bedürfnisse kennt, kann sich sein Leben im Zielland bewusst aufbauen.
Frühzeitig Besitz loslassen
Wer weiß, dass er auswandert, sollte von einigen Anschaffungen Abstand nehmen. Gerade bei einem Auswandern in ein weit entferntes Land lohnt es sich finanziell, mit weniger Gegenständen auszuwandern. Denn der Transport mit einem Container von großen Besitzgütern ist teuer. Daher sollten hier ausschließlich Gegenstände transportiert werden, die einen hohen Wert haben und zu denen eine Bindung besteht.
Was nicht mehr neu gekauft werden sollte:
- Kleidung
- Haushaltsgeräte
- Dekoration
- Möbel
In diesen Rubriken lohnt sich eher ein frühzeitiges Aussortieren. Entweder werden diese Sachen verschenkt, gespendet oder verkauft. Auch hier lohnt es sich, rechtzeitig damit anzufangen, damit nicht der letzte Monat vor dem Auswandern eine reine organisatorische Aufgabe ist. Für die meisten Menschen ist der letzte Monat bereits eine nervliche und emotionale Herausforderung. Daher ist es wichtig, dass bis hierhin schon viele Sachen erledigt sind.
Checkliste: Aussortieren
Spätestens zwei Monate vor dem Auswandern sollte feststehen, was mitkommt und was nicht. So lässt sich der Transport der großen Stücke gut planen. Wer sehr weit weg auswandert, sollte eher drei Monate zuvor den Transport von großen Stücken regeln. Sonst kommen sie am Ende erst sehr spät im neuen Zuhause an.
Bei den Stücken, die nicht mitkommen, sollte es drei Rubriken geben:
• Verkaufen
• Verschenken/ Spenden
• Sperrmüll
Verkaufen
Gut erhaltene Stücke – Möbel, Deko-Artikel oder auch Kleidung – lassen sich oft verkaufen. Anzeigen auf einem Online-Markt sollten circa sechs bis acht Wochen vor dem Umzug online sein. So bleibt ausreichend Zeit, um die Verkäufe abzuschließen. Wer viele gut erhaltene Sachen aussortiert, sollte über einen Hausflohmarkt nachdenken. Natürlich lässt sich auch beides kombinieren.
Verschenken/ Spenden
Bei einigen Stücken gibt es vielleicht im Umfeld Menschen, die sich darüber freuen würden. Auch das sollte geplant sein, damit nicht am Ende viele Stücke noch im Haus stehen. Einen Monat vor dem Auszug sollten die Übergaben geplant sein, damit ein gewisser Puffer bleibt. Auch bei den Spenden sollte der Termin mindestens zwei Wochen vor dem Auswandern liegen. Wird dann etwas nicht mitgenommen oder darf nicht abgegeben werden, lässt es sich noch auf einem anderen Weg entsorgen.
Sperrmüll
Der Termin für den Sperrmüll sollte circa zwei Wochen vor dem Auszug liegen. Sollte es hierbei zu Problemen kommen, lassen sich die Stücke dann noch immer zu einer Mülldeponie bringen.
Finanzielles Polster durch Kombinationen
Eine Rücklage schenkt Sicherheit während des oft anstrengenden Prozesses des Auswanderns. Daher ist es sinnvoll beim Aufbau dieses Polsters auf eine kluge Kombination zu setzen:
• Sparen
• Kredit
• Verkauf
In dieser Kombination lässt sich je nach Zeitrahmen bis zur Auswanderung ein solides finanzielles Polster bilden.
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