Flug zu spät, ausgefallen oder überbucht – das bedeutet nicht nur Ärger, einen verpassten Termin oder entgangene Urlaubsfreude, sondern oft auch finanzielle Verluste. Airlines sind mit entschuldigenden Worten großzügig, mit finanzieller Kompensation dagegen eher knauserig. In der EU haben Passagiere aber umfassende Rechte. Wer sie kennt, kann besser streiten.
Das sind die Voraussetzungen
Die Fluggastrechte sind in der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen geregelt. Da es sich um eine europäische Verordnung handelt, ist ihre Gültigkeit auf Europa beschränkt. Aber wie ist Europa hier definiert?
Die diesbezüglichen Bestimmungen sind leider nicht ganz einfach. Man könnte sich an der Nationalität des Reisenden orientieren, aber das wäre diskriminierend gegenüber Ausländern. Deshalb gibt es nun eine Kombination verschiedener Voraussetzungen: Liegt der Startflughafen in der EU, in der Schweiz, in Norwegen oder in Island (sie bilden zusammen den Europäischen Wirtschaftsraum, EWR), gilt die Verordnung für alle Fluggesellschaften, auch solche mit Sitz außerhalb des EWR.
Landet der Flug dagegen aus einem Drittstaat kommend im EWR, haben Sie die EU-Rechte nur gegenüber einem europäischen Luftfahrtunternehmen. Die Experten des Portals www.fluggastrechte.com geben ein Beispiel: Ihr Flug mit der US-Fluggesellschaft United Airlines (UA) von Frankfurt nach New York fällt kurzfristig aus. Sie haben einen Anspruch nach EU-Recht, denn der Startplatz liegt in der EU. Ihr Rückflug auf derselben Strecke mit Lufthansa (LH) ist mehrere Stunden verspätet. Auch hier besteht ein Anspruch, da Sie mit einem EU-Unternehmen fliegen und in der EU landen.
Beim sogenannten Codesharing – ein Flug, aber zwei Flugnummern – kommt es darauf an, wer den Flug tatsächlich durchführt (Operating Carrier). Handelt es sich im zweiten Beispiel um einen UA-Flug, der zusätzlich eine LH-Nummer führt, gibt es wegen der Verspätung keinen Anspruch nach EU-Recht, möglicherweise aber eine Ersatzforderung, die Sie gegen UA in den USA geltend machen müssen.
Entschädigung bei Verspätung
Nur scheinbar einfach sind die Regeln für die Verspätung: Geld gibt es, wenn der Flug mehr als drei Stunden später ankommt als geplant. Der Teufel steckt im Detail: Wann gilt ein Flug als angekommen?
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Passagiere die Möglichkeit haben müssen, das Flugzeug zu verlassen. Steht der Flieger also mit geschlossenen Türen auf dem Rollfeld, ist er nicht angekommen. Einen Entschädigungsanspruch hat der Passagier nur, wenn die Fluggesellschaft für die Verspätung verantwortlich ist. Hierüber gibt es immer wieder Streit. Am Wetter hat sie keine Schuld, und auch bei einem Pilotenstreik haftet sie nicht – sehr wohl aber für einen technischen Defekt oder eine Krankmeldung in der Crew. Und selbst beim Wetter kann sich ein Entschädigungsanspruch ergeben, zum Beispiel wenn die Verspätung bei rechtzeitiger Enteisung der Maschine zu verhindern gewesen wäre. Je nach Strecke beträgt der Entschädigungsanspruch zwischen 250 und 600 Euro.
Entschädigung bei Nichtbeförderung
Können Sie gar nicht mit der gebuchten Maschine fliegen, wird es noch etwas komplizierter. Bis 14 Tage vor Abflug darf die Airline den Flug absagen. Selbstverständlich bekommen Sie dann den Ticketpreis zurück. Bei kurzfristiger Annullierung oder Überbuchung hängen Ihre Rechte vom Zeitpunkt der Absage, der Flugdistanz und der Verfügbarkeit von Ersatzbeförderungen ab. Es gibt zwischen 125 und 600 Euro.
Am Flughafen besteht zudem Anspruch auf Verpflegung, Telefonate oder E-Mails sowie gegebenenfalls Übernachtung und Transfer zum Hotel. Auch hier kommt es aber wieder darauf an, ob die Fluggesellschaft für die Nichtbeförderung verantwortlich ist. Im Zweifel hilft die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP), im Internet erreichbar unter soep-online.de.
Portale für Fluggastrechte kaufen Forderungen gegen Fluggesellschaften und zahlen sofort, behalten aber eine hohe Vergütung für ihre Tätigkeit ein. Dafür tragen sie das Risiko, dass die Forderung nicht durchsetzbar ist. Alternativ können Sie auch Inkasso-Dienstleister beauftragen. Ist die Forderung nicht durchsetzbar, gibt es zwar kein Geld, Sie müssen aber auch nichts bezahlen. Ansonsten wird eine Provision fällig, die aber deutlich geringer ist als bei den Aufkäufern.