Erzählt von Carlotta Renzo
Den Traum vom Leben im Süden haben viele. Meist bleibt es aber nur beim Träumen, denn die damit zusammenhängenden Konsequenzen bei der Umsetzung bedeuten doch einige Veränderungen. Man muss Freunde, vielleicht sogar die Familie aufgeben, man tauscht Risiko gegen vermeintliche Sicherheit, man muss evtl. eine neue Sprache lernen, etc.
Wenn man das Arbeitsleben hinter sich hat und finanziell einigermaßen abgesichert ist, sollte es eigentlich kein grosses Problem sein, den Horizont zu erweitern und sich einer neuen Herausforderung zu stellen. Anders sieht es aus, wenn man Arbeit und eine Bleibe – vielleicht zur Miete – suchen muss oder noch relativ kleine Kinder hat.
Selbst dann lässt sich der Traum vom Leben im Süden verwirklichen, allerdings sind die Hürden um einiges größer, vor allem im Mezzogiorno, also südlich von Rom bis nach Kalabrien oder auch auf Sardinien.
Dort scheint die Sonne zwar öfter (meist an mehr als 320 Tagen im Jahr), das Meer ist sauberer (vor allem auf Sardinien), aber es handelt sich um relativ wirtschaftsschwache Regionen und Arbeit ist hier schwerer zu finden. Im Tourismusbereich kann man mit guten Fremdsprachenkenntnissen (deutsch, englisch, französisch, russisch) auch als Ausländer an gute Jobs kommen, allerdings meist nur für die 3-monatige Hauptsaison.
Für uns selbst passierte alles in einem relativ kurzen Zeitraum, aber es war auch viel Glück dabei, denn um unser Traum-Grundstück mit Rohbau und Meerblick in 1,5 km Entfernung von der Küste zu finden, dauerte es gerade mal ein halbes Jahr. Bis wir auch vertraglich alles geregelt und den Notartermin hinter uns gebracht hatten, vergingen dann noch einige Monate.
Das Grundstück war eine Mischung aus wilder Macchia und Weideland, übersät von Steinen in allen Größen und Farben. Im ersten Jahr waren wir überwiegend damit beschäftigt, das Gelände soweit von Steinen und stacheligem Gestrüpp frei zu bekommen, damit wir überhaupt etwas anpflanzen konnten. Dazu kam, dass der Rohbau fertiggestellt und eine Pumpe im Tiefbrunnen versenkt werden musste, damit man vernünftig übernachten konnte.
Die richtigen Probleme aber tauchten erst nach und nach auf. Der Bau war keinesfalls als Wohnhaus geplant worden, sondern nur als Gebäude für landwirtschaftliche Maschinen und Geräte, und so war es auch bei der Kommune eingetragen. Das Gelände befindet sich in einer besonders schützenswerten landschaftlichen Zone, wo viele bauliche Vorhaben gar nicht umgesetzt werden können und zudem an eine landwirtschaftliche Nutzung gemäß Bebauungsplan gebunden ist – in unserem Fall mussten wir auf unserem Hektar einen Olivenhain mit mindestens 300 Bäumen anlegen.
Unsere bürokratischen Abenteuer mit der Baufertigstellung, der Nutzungsänderung und der langwierigen Lösung aller anderen Probleme hier aufzuzählen, würde den vorgegebenen Rahmen sprengen. Nur noch kurz erwähnt werden sollten das zeitweise schwierige Verhältnis zu den Ziegenhirten in unserer Zone, aber auch das überraschend schnelle Anfreunden mit den sardischen Nachbarn. Allerdings wäre alles ohne Kenntnis der italienischen Sprache weitaus schwieriger wenn nicht gar unmöglich gewesen.
Wenn jemand nicht in einer deutschen Enklave im Touristengebiet leben will, sind gute Kenntnisse der Landessprache ein absolutes Muss.
Aber das Leben unter und mit den Einheimischen hat viele positive Aspekte – von der Gastfreundschaft angefangen bis zur manchmal überschwänglichen, aber ehrlichen Herzlichkeit oder der überwältigenden Hilfsbereitschaft.
Uns gefällt vor allem auch dieses Leben in und mit der Natur hier auf dieser paradiesischen Insel, und trotz aller Widrigkeiten wollten wir bis heute nie aufgeben. Italien ist schön – wir haben jahrelang alle Küsten in den südlichen Provinzen bereist – aber für Sardinien entwickelt man eine Leidenschaft, die ihresgleichen sucht. Und sie kühlt nie mehr ab!
Allerdings ist es inzwischen fast unmöglich geworden, noch Bauland in einer Zone bis 2000 m von der Küste zu finden, nachdem der damalige Regionalfürst Sardiniens, Renato Soru, 2004 das Gesetz ’salva coste‘ erlassen hat, das bis heute Gültigkeit hat (was im Grundsatz durchaus richtig war, um eine massive Bebauung wie z.B. an Spaniens Küsten zu verhindern).
Ein Haus nahe am Meer einigermaßen preisgünstig zu erwerben gleicht mittlerweile der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Ein paar Kilometer landeinwärts ist es wesentlich leichter und günstiger, etwas Passendes zu finden.
Jahr für Jahr kommen immer noch neue ‚Einwanderer‘ , hauptsächlich aus Deutschland, Österreich und der Schweiz auf die Insel und die meisten bleiben für lange Zeit oder für immer.
Über die Autorin
In ihren drei Büchern, ‚Sardinien – ein Traum wird wahr‚, im Folgeband ‚Sardinien – Licht und Schatten im Paradies‚ sowie in ‚Sardinien – Das Herz schlägt langsam‚ erzählt Carlotta Renzo von Erfahrungen mit Land und Leuten und den vielfältigen Erlebnissen, die das Leben auf dieser paradiesischen Insel mit sich bringen kann.
Neben teils unglaublichen Erfahrungen mit der Bürokratie dieses Landes kommt aber auch die Beschreibung der zahlreichen Ausflugsziele zu den Naturschönheiten oder zu archäologischen Stätten nicht zu kurz.