
Was sind die BRICS-Staaten?
Die BRICS-Staaten sind ein informeller Zusammenschluss aufstrebender Wirtschaftsmächte, der sich zum Ziel gesetzt hat, ein Gegengewicht zur westlich dominierten Weltordnung zu schaffen. Der Name ist ein Akronym, das sich aus den Anfangsbuchstaben der ursprünglichen Mitgliedsländer zusammensetzt: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.
Kurz & knapp: BRICS ist eine wirtschaftliche und politische Allianz großer Schwellenländer, die zusammen fast die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren und etwa 39 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung erwirtschaften.
Die Geschichte der BRICS: Von der Finanzidee zur Weltmacht
Der Ursprung: Goldman Sachs und Jim O’Neill (2001)
Die Geschichte der BRICS beginnt nicht in einem Regierungspalast, sondern in einem Investmentbüro. Im November 2001 veröffentlichte Jim O’Neill, damals Chefökonom bei Goldman Sachs, eine Studie mit dem Titel „Building Better Global Economic BRICs“. Darin prognostizierte er, dass Brasilien, Russland, Indien und China bis 2050 gemeinsam die wirtschaftliche Macht der G7-Staaten übertreffen würden.
Was als reines Investmentkonzept gedacht war, entwickelte schnell ein Eigenleben. O’Neill hatte die vier Länder nie besucht (mit Ausnahme Chinas) und sprach keine ihrer Sprachen. Dennoch traf seine Analyse einen Nerv der Zeit. 2006 gründete Goldman Sachs sogar einen eigenen BRIC-Investmentfonds, der allerdings 2015 wegen schlechter Performance wieder geschlossen wurde.
Die politische Geburt (2006)
Am 23. September 2006 trafen sich die Außenminister der vier BRIC-Länder zum ersten Mal am Rande der UN-Generalversammlung in New York. Dies war auf Initiative des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Aus dem Finanzkonzept wurde eine politische Realität.
Der erste Gipfel (2009)
Im Juni 2009 kamen die Staats- und Regierungschefs der vier Länder erstmals zu einem offiziellen BRIC-Gipfel in Jekaterinburg, Russland, zusammen. Die Finanzkrise 2007/2008 hatte gezeigt, dass die westlichen Finanzinstitutionen nicht unfehlbar waren – der perfekte Zeitpunkt für ein alternatives Bündnis.
Südafrika kommt hinzu (2010)
Im Dezember 2010 erhielt Südafrika die Einladung zum Beitritt. Mit dem afrikanischen Land wurde aus BRIC offiziell BRICS. Die Aufnahme Südafrikas war strategisch wichtig: Das Land sollte als Tor zu Afrika dienen und dem Bündnis mehr geografische Balance verleihen.
Die große Expansion (2024 und 2025)
Nach 13 Jahren ohne weitere Mitglieder beschloss das BRICS-Bündnis beim Gipfel 2023 in Johannesburg eine massive Erweiterung:
Neue Vollmitglieder ab 1. Januar 2024:
- Ägypten
- Äthiopien
- Iran
- Vereinigte Arabische Emirate
Neues Vollmitglied ab 6. Januar 2025:
- Indonesien
Status Saudi-Arabien: Das Königreich erhielt ebenfalls eine Einladung, hat diese aber bis Oktober 2025 noch nicht formal angenommen. Saudi-Arabien nimmt jedoch an BRICS-Treffen teil und erwägt den Beitritt weiterhin.
Argentinien lehnt ab: Unter Präsident Javier Milei zog Argentinien seinen zunächst akzeptierten Beitrittsantrag Ende Dezember 2023 zurück.
Das Partnerschaftsmodell (2025)
Beim BRICS-Gipfel 2024 in Kasan, Russland, wurde ein neues Partnerschaftsmodell eingeführt. Seit dem 1. Januar 2025 sind folgende Länder BRICS-Partner (keine Vollmitglieder):
- Belarus
- Bolivien
- Indonesien (wurde am 6. Januar 2025 zum Vollmitglied)
- Kasachstan
- Kuba
- Malaysia
- Thailand
- Türkei
- Uganda
- Usbekistan
- Algerien
- Nigeria (seit 17. Januar 2025)
- Vietnam (seit 13. Juni 2025)
Die aktuellen BRICS-Vollmitglieder (Oktober 2025)
Stand Oktober 2025 besteht BRICS aus 10 Vollmitgliedern:
- Brasilien – Südamerikas größte Wirtschaft, führt 2025 den Vorsitz
- Russland – Ressourcenreich, unter westlichen Sanktionen
- Indien – Bevölkerungsreichstes Land der Welt, schnell wachsend
- China – Wirtschaftliche Supermacht, größte Volkswirtschaft der Gruppe
- Südafrika – Afrikas zweitgrößte Wirtschaft (hinter Nigeria)
- Ägypten – Bevölkerungsreichstes arabisches Land
- Äthiopien – Zweitbevölkerungsreichstes Land Afrikas
- Iran – Unter Sanktionen, ressourcenreich
- Vereinigte Arabische Emirate – Wirtschaftlich stark, höchstes BIP pro Kopf
- Indonesien – Viertbevölkerungsreichstes Land der Welt
Wer will noch Mitglied werden?
Das Interesse an einer BRICS-Mitgliedschaft ist enorm. Vor dem Gipfel 2023 äußerten über 40 Staaten ihr Interesse, 23 stellten konkrete Anträge. Zu den wichtigsten Bewerbern und interessierten Ländern zählen:
Konkrete Bewerber:
- Saudi-Arabien – Hat Einladung, zögert noch bei formaler Annahme
- Algerien – BRICS-Partner seit 2025, strebt Vollmitgliedschaft an
- Türkei – NATO-Mitglied, sucht strategische Balance
- Nigeria – Afrikas größte Wirtschaft, BRICS-Partner seit Januar 2025
- Venezuela – Wurde 2024 durch brasilianisches Veto blockiert
Interessierte Länder:
- Aserbaidschan
- Bangladesch
- Kuwait
- Bahrain
- Pakistan
- Kasachstan (hat jedoch erklärt, vorerst nicht beizutreten)
Die Aufnahmekriterien sind nicht öffentlich bekannt, aber Experten vermuten, dass wirtschaftliche Stärke, geopolitischer Einfluss und strategische Bedeutung eine Rolle spielen.
Was macht die BRICS-Staaten besonders?
1. Enorme wirtschaftliche Macht
Die BRICS-Staaten repräsentieren zusammen:
- 48 Prozent der Weltbevölkerung (fast 4 Milliarden Menschen)
- 39 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung (kaufkraftbereinigt, 2024)
- 54 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen
- Größere Wirtschaftskraft als die USA (einzeln betrachtet)
China allein erwirtschaftet etwa die Hälfte der BRICS-Wirtschaftsleistung und ist größer als alle anderen BRICS-Mitglieder zusammen.
2. Ressourcenreichtum
Die BRICS-Staaten verfügen über:
- Massive Öl- und Gasvorkommen (Russland, Iran, VAE, Brasilien)
- Seltene Erden und kritische Rohstoffe (China, Südafrika, Brasilien)
- Landwirtschaftliche Ressourcen (Brasilien, Indien, Russland)
- Humankapital durch riesige Bevölkerungen
3. Alternative Finanzinstitutionen
New Development Bank (NDB):
- Gegründet 2014 in Shanghai
- 100 Milliarden US-Dollar Kapital
- Alternative zur Weltbank
- Finanziert Infrastruktur- und Nachhaltigkeitsprojekte
- Auch Kolumbien ist der Bank beigetreten, ohne BRICS-Mitglied zu sein
Contingent Reserve Arrangement (CRA):
- Notfall-Liquiditätsfonds
- Alternative zum Internationalen Währungsfonds
4. De-Dollarisierung
Ein zentrales Ziel der BRICS ist es, die Abhängigkeit vom US-Dollar zu reduzieren. Die Mitglieder:
- Fördern Handel in lokalen Währungen
- Entwickeln alternative Zahlungssysteme
- Stärken regionale Währungsabkommen
US-Präsident Donald Trump drohte im Januar 2025 mit 100-prozentigen Zöllen auf Länder, die den Dollar als Handelswährung ersetzen wollen.
5. Pragmatisches, loses Bündnis
BRICS ist bewusst informell:
- Keine feste Charta oder Verträge
- Kein permanentes Sekretariat
- Keine Beitragszahlungen
- Keine rechtlichen Verpflichtungen
- Konsensprinzip bei Entscheidungen
Dies macht das Bündnis attraktiv für Länder, die keine strengen Bindungen eingehen wollen. Es bedeutet aber auch, dass gemeinsame Aktionen schwierig sind.
6. Multipolare Weltordnung
BRICS versteht sich als Stimme des „Globalen Südens“ und fordert:
- Mehr Einfluss in internationalen Institutionen
- Reform von UNO, Weltbank und IWF
- Gleichberechtigte Partnerschaft statt westlicher Dominanz
- Respekt für nationale Souveränität
Kritik und Herausforderungen
Interne Widersprüche
- Territoriale Konflikte: China und Indien haben zuweilen Grenzkonflikte
- Unterschiedliche Systeme: Von Demokratien (Indien, Brasilien) bis zu autoritären Regimen (China, Iran)
- Konkurrierende Interessen: Nigeria konkurriert mit Südafrika um Afrikas Führungsrolle
- Wirtschaftliche Unterschiede: VAE hat ein BIP pro Kopf, das um ein Vielfaches höher ist als Äthiopien
Fehlende gemeinsame Vision
Während sich alle BRICS-Mitglieder einig sind in ihrer Kritik am Westen, mangelt es an:
- Gemeinsamen wirtschaftlichen Zielen
- Einheitlicher Außenpolitik
- Kultureller und zivilisatorischer Identität (im Gegensatz zur G7)
Jim O’Neill, der Erfinder des BRIC-Konzepts, äußerte 2013, dass er das Akronym heute nur noch auf China anwenden würde. Er kritisierte auch, dass BRICS zu einem politischen Klub wurde, obwohl er es nur als Investmentkonzept gedacht hatte.
Sanktionsrisiken
Die Mitgliedschaft von Russland und Iran bedeutet, dass einige BRICS-Mitglieder unter schweren westlichen Sanktionen stehen. Dies kompliziert die wirtschaftliche Zusammenarbeit für andere Mitglieder.
Was bedeuten die BRICS für Auswanderer?
Als Auswanderer solltest du die BRICS-Entwicklungen im Auge behalten – sie können erhebliche Auswirkungen auf deine Pläne haben:
1. Neue Wirtschaftsräume und Jobmärkte
Die BRICS-Länder sind Wachstumsmärkte mit hohem Potenzial:
- Indien wächst jährlich um 6 bis 8 Prozent
- Indonesien bietet als viertbevölkerungsreichstes Land enorme Chancen
- VAE ist bereits jetzt ein globales Wirtschaftszentrum
- China bleibt trotz Verlangsamung ein riesiger Markt
Für dich bedeutet das:
- Steigende Nachfrage nach Fachkräften in diesen Ländern
- Bessere Karrierechancen in aufstrebenden Märkten
- Potenziell höhere Gehälter in Sektoren wie Technologie, Ingenieurwesen, Bildung
2. Infrastrukturinvestitionen
Die New Development Bank finanziert massive Infrastrukturprojekte in BRICS-Ländern. Dies schafft:
- Bauprojekte und Ingenieursaufträge
- Bessere Verkehrsanbindungen
- Modernere Städte und Einrichtungen
Für dich bedeutet das:
- Verbesserte Lebensqualität in vielen BRICS-Städten
- Mehr Jobmöglichkeiten im Infrastruktursektor
- Bessere Verkehrsanbindungen erleichtern Reisen
3. Bildungs- und Wissenschaftskooperationen
BRICS-Länder bauen akademische Partnerschaften aus:
- Stipendienprogramme zwischen Mitgliedsländern
- Gemeinsame Forschungsprojekte
- Universitätspartnerschaften
Für dich bedeutet das:
- Mögliche Stipendien für Studium oder Forschung
- Internationale Netzwerke aufbauen
- Zugang zu Bildung in aufstrebenden Wirtschaftsräumen
4. Geopolitische Überlegungen
Die Zugehörigkeit zu BRICS beeinflusst die politische Orientierung eines Landes:
- Neutralität gegenüber westlichen Konflikten (z.B. Ukraine)
- Engere Beziehungen zu China und Russland
- Mögliche Spannungen mit westlichen Ländern
Für dich bedeutet das:
- Prüfe die politische Stabilität deines Ziellandes
- Beachte mögliche Sanktionsrisiken
- Berücksichtige die diplomatischen Beziehungen zu deinem Heimatland
5. Währungs- und Finanzsystem
Die De-Dollarisierung könnte die Finanzwelt verändern:
- Stärkung lokaler Währungen
- Alternative Zahlungssysteme
- Weniger Abhängigkeit von westlichen Banken
Für dich bedeutet das:
- Mögliche Währungsschwankungen beachten
- Neue Zahlungsmethoden nutzen
- Diversifikation deiner Finanzanlagen erwägen
6. Visum- und Aufenthaltserleichterungen
Obwohl es noch kein BRICS-Visum gibt, fördern Mitglieder zunehmend:
- Einfacheren Personenaustausch
- Geschäftsvisa-Erleichterungen
- Kulturelle Austauschprogramme
Für dich bedeutet das:
- Potenziell einfachere Visa-Verfahren in Zukunft
- Mehr Möglichkeiten für temporäre Aufenthalte
- Bessere Bedingungen für Geschäftsreisende
7. Sprachliche Vielfalt als Chance
Die BRICS-Staaten sprechen völlig unterschiedliche Sprachen:
- Portugiesisch (Brasilien)
- Russisch (Russland)
- Hindi/Englisch (Indien)
- Mandarin (China)
- Arabisch (Ägypten, VAE)
- Bahasa Indonesia (Indonesien)
Für dich bedeutet das:
- Englisch ist oft Arbeitssprache, aber lokale Sprachkenntnisse sind wertvoll
- Sprachkurse in BRICS-Sprachen gewinnen an Bedeutung
- Multilingualität wird zum Karrierevorteil
8. Unterschiedliche Lebensbedingungen
Die BRICS-Mitglieder unterscheiden sich enorm in:
- Lebensstandard: Von den hochmodernen VAE bis zum ärmer entwickelten Äthiopien
- Demokratie: Von demokratischen Staaten wie Indien bis zu autoritären Regimen
- Lebenshaltungskosten: Von sehr günstig (Indien, Äthiopien) bis teuer (VAE, China-Großstädte)
Für dich bedeutet das:
- Sorgfältige Recherche über dein spezifisches Zielland ist unverzichtbar
- „BRICS“ ist kein Qualitätsmerkmal für Lebensqualität
- Jedes Land muss individuell bewertet werden
Konkrete Tipps für Auswanderer
Wenn du in ein BRICS-Land auswandern willst:
- Informiere dich über die politische Ausrichtung: Ist das Land eher pro-westlich oder anti-westlich orientiert?
- Prüfe Sanktionsrisiken: Besonders bei Russland und Iran musst du wirtschaftliche Einschränkungen beachten.
- Nutze BRICS-Institutionen: Die New Development Bank könnte Projekte in deinem Berufsfeld finanzieren.
- Beobachte Währungsentwicklungen: Die De-Dollarisierung könnte deine Währungsüberweisungen beeinflussen.
- Netzwerke aufbauen: BRICS-Geschäftsforen und akademische Konferenzen bieten Vernetzungsmöglichkeiten.
- Sei flexibel: BRICS ist dynamisch – neue Mitglieder und Partnerschaften entstehen ständig.
Zukunftsausblick
Die BRICS-Staaten stehen 2025 an einem Scheideweg. Mit der massiven Erweiterung wird die Gruppe heterogener und schwieriger zu koordinieren. Gleichzeitig wächst ihr wirtschaftliches und politisches Gewicht.
Mögliche Entwicklungen:
- Weitere Aufnahme afrikanischer Länder (Uganda, Algerien)
- Einführung einer gemeinsamen BRICS-Währung (umstritten)
- Ausbau der New Development Bank
- Stärkere Rolle im globalen Süden
Herausforderungen:
- Interne Konflikte zwischen Mitgliedern
- Mangel an gemeinsamer Vision
- Konkurrenz zur G7 und G20
- Umgang mit sanktionierten Mitgliedern
Für Auswanderer bedeutet dies: Die BRICS-Länder werden in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen. Wer heute die Chancen erkennt und sich in diesen Märkten positioniert, kann von der Entwicklung profitieren. Gleichzeitig solltest du die politischen und wirtschaftlichen Risiken nicht unterschätzen.
Fazit
Die BRICS-Staaten sind mehr als nur eine wirtschaftliche Gruppierung – sie repräsentieren eine tektonische Verschiebung in der globalen Machtbalance. Von einem Investmentkonzept eines Goldman-Sachs-Ökonomen haben sie sich zu einer ernstzunehmenden geopolitischen Kraft entwickelt.
Für dich als potentieller Auswanderer bieten BRICS-Länder sowohl enorme Chancen als auch spezifische Herausforderungen. Die Entscheidung für oder gegen ein BRICS-Land sollte nicht allein aufgrund der Mitgliedschaft getroffen werden – jedes Land hat seine eigenen Besonderheiten, Stärken und Schwächen.
Was sicher ist: Die Welt wird multipolarer, und die BRICS-Staaten spielen dabei eine zentrale Rolle. Wer diese Entwicklung versteht und für sich zu nutzen weiß, kann als Auswanderer von den Wachstumsmärkten der Zukunft profitieren.
Wichtiger Hinweis: Die BRICS-Entwicklungen sind sehr dynamisch. Prüfe vor wichtigen Entscheidungen die aktuellen Mitgliedschaften und politischen Entwicklungen.
Letzte Aktualisierung: Oktober 2025