Die Bevölkerung von Madagaskar: Menschen, Kultur und Traditionen

Wenn du überlegst, nach Madagaskar auszuwandern, solltest du die einzigartige Bevölkerung dieser Insel verstehen. Die madagassische Gesellschaft vereint afrikanische und asiatische Einflüsse zu einer faszinierenden Kultur, die sich deutlich von anderen afrikanischen Ländern unterscheidet.

Madagassische Frauen am Strand
Madagassische Frauen am Strand

Ethnische Zusammensetzung und Bevölkerungsgruppen

Die Bevölkerung Madagaskars besteht aus etwa 28 Millionen Menschen, die sich in 18 verschiedene ethnische Gruppen aufteilen. Die größten Gruppen sind die Merina (26 % der Bevölkerung) im zentralen Hochland, die Betsimisaraka (15 %) an der Ostküste, die Betsileo (12 %) im südlichen Hochland und die Tsimihety (7 %) im Norden. Kleinere Gruppen wie die Sakalava, Antandroy, Antaisaka und Bara prägen jeweils ihre Regionen mit eigenen Traditionen.

Was dich überraschen wird: Die Madagassen sind keine typischen Afrikaner. Ihre Vorfahren kamen vor etwa 2000 Jahren aus dem malaiisch-indonesischen Raum über den Indischen Ozean. Später kamen afrikanische, arabische und indische Einflüsse hinzu. Diese einzigartige Mischung macht die madagassische Identität aus.

Sprachen in Madagaskar

Die Amtssprachen sind Madagassisch (Malagasy) und Französisch. Madagassisch gehört zur austronesischen Sprachfamilie und ist mit indonesischen Sprachen verwandt – ein weiterer Beweis für die asiatischen Wurzeln. Fast alle Einwohner sprechen Madagassisch, wobei es regionale Dialekte gibt.

Französisch wird in Bildung, Verwaltung und Geschäftsleben verwendet. Besonders die gebildete Stadtbevölkerung spricht fließend Französisch. Wenn du nach Madagaskar auswanderst, erleichtern dir Französischkenntnisse den Alltag erheblich. Englisch ist weniger verbreitet, wird aber in touristischen Gebieten zunehmend gesprochen.

Religionen und spirituelle Überzeugungen

Etwa 41 % der Bevölkerung sind Christen (Katholiken und Protestanten), 7 % Muslime. Doch die wichtigste Rolle spielt der traditionelle Ahnenkult, den über 50 % praktizieren – oft parallel zum Christentum. Die Verehrung der Vorfahren (Razana) durchdringt alle Lebensbereiche.

Du wirst schnell merken: Die Ahnen gelten als Vermittler zwischen Lebenden und dem Göttlichen. Familiengräber sind prachtvoller als Wohnhäuser. Die „Famadihana“ (Totenwendung) ist eine Zeremonie, bei der alle sieben Jahre die Verstorbenen exhumiert, in neue Tücher gewickelt und mit Musik und Tanz gefeiert werden. Dieses Ritual zeigt die tiefe spirituelle Verbundenheit der Madagassen mit ihren Ahnen.

Traditionen und kulturelle Besonderheiten

Junger Trommler
Junger Trommler

Die madagassische Kultur basiert auf „Fihavanana“ – einem komplexen Konzept von Gemeinschaft, gegenseitiger Hilfe und harmonischem Zusammenleben. Konfliktvermeidung und Konsens stehen höher als individueller Erfolg.

Wichtig für dich: Die Madagassen leben nach „Fady“ (Tabus), die je nach Region und Familie variieren. Manche Fady verbieten bestimmte Speisen, andere bestimmte Tage für Aktivitäten oder das Betreten heiliger Orte. Respektiere diese Tabus unbedingt – ihre Missachtung gilt als schwere Beleidung.

Die Musik spielt eine zentrale Rolle. Traditionelle Instrumente wie die Valiha (Bambusröhrenzither) und die Marovany (Kastenleiter) prägen den einzigartigen madagassischen Sound, der afrikanische und asiatische Elemente verbindet.

Einkaufsgewohnheiten und Märkte

Markt auf Madagaskar
Markt auf Madagaskar

Die meisten Madagassen kaufen täglich auf lokalen Märkten (Tsena) ein. Supermärkte gibt es hauptsächlich in Städten wie Antananarivo. Auf den farbenfrohen Märkten findest du frisches Obst, Gemüse, Reis, Gewürze, Fisch und Fleisch. Handeln gehört zur Kultur – fixe Preise sind unüblich.

Die Wirtschaft ist stark informell geprägt. Viele Menschen verdienen ihr Geld als Straßenhändler oder mit kleinen Dienstleistungen. Die Mehrheit lebt von der Landwirtschaft, wobei Reis das Grundnahrungsmittel ist. Madagassen essen durchschnittlich dreimal täglich Reis.

Traditionelle Textilien wie die „Lamba“ (gewebte Tücher) werden für besondere Anlässe gekauft und sind wichtige Statussymbole.

Typische Verhaltensweisen und soziale Codes

Madagassen sind generell höflich, freundlich und indirekt in ihrer Kommunikation. Direkte Ablehnung oder offene Kritik gelten als unhöflich. Wenn jemand „vielleicht“ oder „wir werden sehen“ sagt, bedeutet das oft „nein“. Diese Indirektheit kann für Europäer frustrierend sein.

Die Begrüßung ist wichtig: Man nimmt sich Zeit für Smalltalk, fragt nach der Familie und dem Befinden. Geschäftliches wird erst danach besprochen. Händeschütteln ist üblich, oft begleitet von einem leichten Nicken.

Hierarchie und Alter werden respektiert. Ältere Menschen genießen hohes Ansehen und werden mit besonderem Respekt behandelt. In Gesprächen solltest du Augenkontakt halten, aber nicht zu intensiv starren.

Ein besonderes Phänomen ist „Mora Mora“ (langsam, langsam) – die entspannte madagassische Einstellung zur Zeit. Pünktlichkeit wird nicht so streng gesehen wie in Europa. Flexibilität und Geduld sind gefragt.

Haltung gegenüber Ausländern und Einwanderern

KulturSchock Madagaskar
KulturSchock Madagaskar: Alltagskultur, Traditionen, Verhaltensregeln

Madagassen sind generell gastfreundlich und aufgeschlossen gegenüber Ausländern (Vazaha). Die koloniale Vergangenheit mit Frankreich wird kritisch gesehen, aber Franzosen sind dennoch überall präsent und akzeptiert.

Als Auswanderer wirst du Neugier und Freundlichkeit erleben. Besonders in ländlichen Gebieten sind weiße Gesichter noch ungewöhnlich und ziehen Aufmerksamkeit an. Kinder rufen oft begeistert „Vazaha! Vazaha!“ Die Integration erfordert Zeit und Respekt für lokale Bräuche.

Gemischte Beziehungen zwischen Madagassen und Ausländern sind akzepiert, besonders in Städten. Allerdings solltest du wissen: Manche Familien erwarten, dass der ausländische Partner finanziell für die madagassische Familie mitsorgt – ein Ausdruck von Fihavanana.

Die indischstämmige und chinesische Minderheit kontrolliert große Teile des Handels, was manchmal zu Spannungen führt. Als europäischer Einwanderer wirst du aber meist wohlwollend behandelt.

Freizeitgestaltung und Unterhaltung

Die Freizeitgestaltung ist stark von wirtschaftlichen Möglichkeiten geprägt. Viele Madagassen können sich teure Hobbys nicht leisten. Beliebt sind gesellige Zusammenkünfte mit Familie und Freunden, oft begleitet von Musik und Tanz.

Traditionelle Feste (Famadihana, Hochzeiten, Beschneidungszeremonien) sind wichtige soziale Ereignisse, die mehrere Tage dauern können. Musik und Tanz gehören zu jeder Feier. Der „Salegy“ ist ein populärer Musikstil mit schnellem Rhythmus.

In Städten gewinnen Kinos, Restaurants und Bars an Bedeutung. Die Jugend nutzt zunehmend soziale Medien und Smartphones. Fußball ist die beliebteste Sportart zum Zuschauen, besonders internationale Ligen wie die Premier League.

Naturverbundenheit ist tief verwurzelt: Spaziergänge, Ausflüge in die Natur und Besuche an Stränden oder in Nationalparks sind beliebte Aktivitäten, wenn es die Mittel erlauben.

Sport und Volkssport

Fußball ist mit Abstand die beliebteste Sportart in Madagaskar. Fast jedes Dorf hat einen improvisierten Fußballplatz. Die Nationalmannschaft (Barea – die Zebus) genießt große Unterstützung. 2019 erreichte Madagaskar erstmals die Viertelfinal-Runde beim Afrika-Cup – ein historischer Erfolg, der das Land in Begeisterung versetzte.

Rugby erfreut sich ebenfalls wachsender Beliebtheit, besonders im Hochland. Die Nationalmannschaft qualifiziert sich regelmäßig für kontinentale Wettbewerbe.

Traditionelle Kampfsportarten wie „Moraingy“ (eine Form des Faustkampfs) werden besonders an der Westküste praktiziert. Diese ritualisierten Kämpfe finden oft bei Dorffesten statt.

Basketball, Volleyball und Leichtathletik werden in Schulen gefördert. Der Sport leidet jedoch unter mangelnder Infrastruktur und fehlender Finanzierung.

Familie, Kinder und ältere Menschen

Madagassische Kinder und Jugendliche
Madagassische Kinder und Jugendliche

Der Familiensinn ist extrem stark ausgeprägt. Die Großfamilie (Fianakaviana) ist die wichtigste soziale Einheit. Entscheidungen werden gemeinsam getroffen, und gegenseitige Unterstützung ist selbstverständlich. Wenn ein Familienmitglied erfolgreich ist, wird erwartet, dass es andere unterstützt.

Madagaskar ist sehr kinderfreundlich. Kinder werden geliebt und gehören zum öffentlichen Leben dazu. Die Geburtenrate ist hoch (durchschnittlich 4 Kinder pro Frau). Großfamilien kümmern sich gemeinsam um die Erziehung.

Ältere Menschen genießen höchsten Respekt und werden in der Familie versorgt. Altersheime sind unbekannt – die Pflege der Eltern und Großeltern im Alter ist eine heilige Pflicht. Die Ältesten treffen wichtige Familien- und Gemeinschaftsentscheidungen.

Als Auswanderer solltest du wissen: Wenn du eine Beziehung mit einem Madagassen eingehst, heiratest du praktisch die ganze Familie mit. Die familiären Verpflichtungen sind allgegenwärtig.

Einstellung zu Arbeit und Beruf

Transport Menschen, Hühner, Waren
Transport Menschen, Hühner, Waren

Die Arbeitsmoral ist zweigeteilt: Einerseits sind Madagassen fleißig und kreativ, wenn es ums Überleben geht. Die meisten haben mehrere kleine Einkommensquellen. Andererseits dominiert die „Mora Mora“-Mentalität – Zeitdruck und Effizienz im westlichen Sinne sind fremd.

Pünktlichkeit wird locker gesehen. Meetings beginnen oft 30 bis 60 Minuten später als geplant. Deadlines sind eher Richtwerte als feste Termine. Das kann für europäische Geschäftsleute frustrierend sein.

Zuverlässigkeit hängt stark von persönlichen Beziehungen ab. Wenn eine Vertrauensbasis besteht, sind Madagassen sehr loyal. Verträge und formelle Vereinbarungen werden jedoch oft weniger wichtig genommen als mündliche Zusagen unter Freunden.

Weiterbildung wird geschätzt, aber der Zugang ist limitiert. Die gebildete Elite strebt nach höherer Bildung, oft im Ausland. Die breite Bevölkerung hat jedoch kaum Bildungschancen – etwa 75 % können lesen und schreiben, aber die Schulqualität ist oft mangelhaft.

Hierarchien am Arbeitsplatz werden respektiert. Eigeninitiative und kritisches Hinterfragen sind weniger ausgeprägt als in westlichen Kulturen. Anweisungen werden oft wortwörtlich ausgeführt, ohne mitzudenken.

Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit

Strand in einem madagassischen Dorf
Strand in einem madagassischen Dorf

Das Umweltbewusstsein ist paradox: Einerseits leben Madagassen traditionell naturverbunden und im Einklang mit ihrer Umgebung. Andererseits führt die extreme Armut zu Raubbau – Brandrodung (Tavy), illegaler Holzeinschlag und Wilderei bedrohen die einzigartige Biodiversität.

Die Abholzung ist dramatisch: Über 90 % der ursprünglichen Wälder sind verschwunden. Viele Madagassen sehen den Wald als landwirtschaftliche Ressource, nicht als Schutzgut. Müllentsorgung ist problematisch – Abfall landet oft in der Natur oder wird verbrannt.

Internationale NGOs und Bildungsprogramme versuchen, das Bewusstsein zu stärken. In Städten wächst bei der gebildeten Jugend das Interesse an Umweltschutz. Die Regierung hat Schutzgebiete eingerichtet, aber die Durchsetzung ist schwach.

Als Auswanderer kannst du durch Vorbild und Aufklärung einen kleinen Beitrag leisten. Verstehe aber: Wenn Menschen ums Überleben kämpfen, hat Umweltschutz keine Priorität.

International bekannte Madagassen

Jean-Joseph Rabearivelo (1901-1937): Madagaskars bedeutendster Dichter gilt als Begründer der modernen afrikanischen Literatur französischer Sprache. Seine zweisprachigen Gedichtbände verbanden madagassische Traditionen mit französischer Lyrik. Sein Freitod mit 36 Jahren machte ihn zur tragischen Ikone des kolonialen Kulturkonflikts.

Didier Ratsiraka (1936-2021): Der ehemalige Präsident prägte Madagaskar über 27 Jahre (in zwei Amtszeiten). Als Admiral führte er zunächst eine sozialistische Diktatur, später demokratische Reformen ein. International bekannt durch seinen autoritären Führungsstil und die politischen Krisen, die er auslöste.

Marc Ravalomanana (geb. 1949): Erfolgreicher Geschäftsmann und ehemaliger Präsident (2002-2009), der vom Joghurt-Verkäufer zum Multimillionär und Staatschef aufstieg. Seine Amtszeit brachte wirtschaftliche Reformen, endete aber im umstrittenen Putsch. Symbol für unternehmerischen Erfolg aus einfachen Verhältnissen.

Laza Razanajatovo „Kilema“ (1943-2011): Legendärer Fußballspieler, der als erster Madagasse international professionell spielte (in Frankreich und Indonesien). Als Kapitän der Nationalmannschaft wurde er zur Sportikone. Nach seiner Karriere engagierte er sich für die Entwicklung des madagassischen Fußballs.

Hanitra Rasoanaivo: International erfolgreiche Opernsängerin (Sopran), die auf den großen Bühnen Europas auftritt. Sie repräsentiert Madagaskar in der klassischen Musikwelt und setzt sich für kulturellen Austausch zwischen Madagaskar und Europa ein.

Erick Manana (geb. 1942): Musiker und Komponist, der madagassische Musik international bekannt machte. Seine Fusion von traditionellen Klängen mit modernen Stilen begeistert weltweit. Er tourte durch Europa und gilt als wichtigster Botschafter madagassischer Kultur in der Musikszene.

Rijasolo (geb. 1979): International anerkannter Fotojournalist, dessen eindringliche Bilder madagassischer Realitäten in renommierten Publikationen wie Time Magazine und Le Monde erscheinen. Er dokumentiert soziale Probleme, Traditionen und den Alltag seiner Heimat mit künstlerischem Anspruch.

Ravalison „Justin“ Jaona (1910-1980): Nationalheld und Mitbegründer der Unabhängigkeitsbewegung. Als Gewerkschafter und Politiker kämpfte er gegen die französische Kolonialherrschaft. International bekannt durch seinen Einsatz für soziale Gerechtigkeit und die Rechte der Arbeiter.

Naivo (geb. 1974): Schriftsteller, dessen Roman „Beyond the Rice Fields“ als erster auf Madagassisch verfasster Roman weltweit veröffentlicht wurde (übersetzt in mehrere Sprachen). Er erzählt von der vorkolonialen Geschichte Madagaskars und erhielt internationale Literaturpreise.

Fazit: Die madagassische Bevölkerung verstehen

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Die Bevölkerung Madagaskars ist eine einzigartige Mischung aus asiatischen und afrikanischen Wurzeln, die eine eigene, faszinierende Identität geschaffen hat. Wenn du nach Madagaskar auswanderst, triffst du auf freundliche, gastfreundliche Menschen mit tief verwurzelten Traditionen und einem starken Gemeinschaftssinn. Die Verehrung der Ahnen, die Bedeutung der Großfamilie und die „Mora Mora“-Mentalität prägen den Alltag fundamental.

Gleichzeitig musst du realistische Erwartungen haben: Madagaskar ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die meisten Menschen kämpfen täglich ums Überleben. Bildung, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur sind mangelhaft. Die entspannte Einstellung zu Zeit und Zuverlässigkeit kann geschäftlich herausfordernd sein. Korruption ist allgegenwärtig.

Als Auswanderer wirst du dennoch reichlich Lebensfreude, Herzlichkeit und kulturellen Reichtum erleben. Die Madagassen haben trotz aller Schwierigkeiten eine beneidenswerte Fähigkeit, das Leben zu genießen und im Moment zu leben. Wenn du dich auf ihre Kultur einlässt, ihre Traditionen respektierst und Geduld mitbringst, wirst du in eine Gemeinschaft aufgenommen, die dich als Teil ihrer erweiterten Familie betrachtet. Madagaskar bietet keine westlichen Annehmlichkeiten, aber eine menschliche Wärme, die in Europa oft verloren gegangen ist.

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Zuletzt aktualisiert: 20. November 2025 von Jan Harmening (2005 ausgewandert)